Auf den ersten Blick eine Gemeinde wie jede andere auch.
Eine Hauptstraße durch den Ort.
Und Häuser mit schmalen Straßen.
Ein riesiger Park lädt ein zum Verweilen ...
Mit stillen Seitenwegen ...
Kunst im Park ...
... und einer schönen Freilichtbühne.
Wie gesagt,
eigentlich eine Gemeinde wie jede andere auch.
Wären da nicht so viele ungewöhnliche Straßennamen.
Ungewöhnlich für eine Gemeinde der westlichen Welt.
Neben Straßennamen wie CALLE BOABDIL (Muhammad XII.), die an
die muslimische Herrschaft in Spanien erinnern, gibt es
natürlich Straßennamen, wie man sie im christlichen
Spanien erwartet, wie Calle San Jose, Calle San Pedro
oder Calle Juan XXIII. (Papst Johannes XXIII.).
Ungewöhnlich häufig aber findet man Straßennamen, wie
Calle Fraternidat (Brüderlichkeit), Calle Solidaridad,
Calle Salvador Allende (der erste marxistische Präsident
eines lateinamerikanischen Staates, der aus freien
Wahlen hervorging), Calle Ernesto Che Quevara oder
der Calle Leon Felipe (dem spanischen Schriftsteller,
der im Bürgerkrieg auf republikanischer Seite kämpfte
und später in Mexiko lebte).
Ohne jemals etwas von Marinaleda gehört zu haben,
wird einem beim Rundgang durch den kleinen Ort
schnell klar, um was es hier geht:
"Paz, Pan y Trabajo" (Frieden, Brot und Arbeit).
"Otro mundo es posible" (Eine andere Welt ist möglich).
"CAMINO A LA UTOPIA" (Auf dem Weg in die Utopie).
Marinaleda ist auf dem Weg in die Utopie,
in eine andere Welt. Die Bürger dieser Stadt
haben sich für einen anderen Weg entschieden.
Denn im Ayuntamiento (Rathaus), wie selbstverständlich
in der Avenida de la Libertad, sitzen Linke mit einem
linken Bürgermeister.
Linke, die sich nicht damit begnügen rote Krawatten zu tragen,
oder gar versuchen möglichst viel in die eigene Tasche zu stecken.
Nein, Linke, die Erfolge vorweisen müssen,
um bei der nächsten Wahl wiedergewählt zu werden.
Die Izquierda Unida / UI (Vereinigte Linke),
die bei der gesamtspanischen Wahl 2011 mal gerade knapp
7 % der Stimmen für das Madrider Parlament erhalten hat,
wurde bei den Kommunalwahlen 2011 mit 73,1 % ins Rathaus
von Marinaleda gewählt. Die restlichen Rathaussitze gingen an die
Partido Socialista Obrero Espanol / PSOE (Sozialdemokraten).
Konservative Abgeordnete sucht man in Marinaleda vergebens.
Das Stadtwappen,
UNA UTOPIA HACIA LA PAZ (Eine Utopie hin zum Frieden).
Marinaleda hat 2645 Einwohner (Stand: Oktober 2013).
Alle Bürger haben Arbeit, verdienen den gleichen Lohn.
Alle Bürger haben ein Haus, dass in Gemeinschaftsarbeit errichtet wird
und zahlen es in 70 Jahren a' 15 Euro im Monat ab. Dann gehört es ihnen.
Die Gemeinde kennt keine Schulden, es gibt keine Polizei
und eine Versammlung, an der alle Einwohner teilnehmen können,
entscheidet über Höhe und Verwendung der Steuer.
Warum funktioniert diese Utopie,
die an so vielen Orten dieser Welt versagt hat?
Liegt es am Charisma des Bürgermeister Juan Manuel Sanchez Gordillo,
der seit 1979 (die ersten freien Wahlen)
bei jeder Wahl wieder zum Bürgermeister gewählt wird?
Liegt es am kapitalistischen Umfeld,
das als Konkurrenzsystem bei Fehlern oder Auswüchsen
den Bürgern sofort als Alternative zur Verfügung stehen würde?
Oder hat "Sozialismus, richtig gemacht" doch eine Zukunft?
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